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Die Muttersprache Alemannisch verbindet Nationen

Der Heimat- und Verkehrsverein Kenzingen und seine elsässischen Gäste pflegen eine grenzüberschreitende Kultur

Der diesjährige Jahresausklang des HuV Kenzingen im Evangelischen Gemeindehaus am Sonntag,  16.11.14, stand unter einem besonderen Stern: der alemannischen Sprache hüben und drüben vom Rhein. Autorenlesungen der aktiven Schriftsteller aus dem Elsass unter der Moderation von Henri Scherb, dem Präsidenten von „Heimetsproch un Tradition“ vermittelten ein lebendiges Kaleidoskop der Fähigkeit der elsässischen Mundartvariante des Alemannischen: Natur, Menschenschicksale, Geschichte, politischer Kampf um kulturelle Eigenständigkeit und Selbstbestimmung gegenüber einer mächtigen Kulturpolitik aus Paris. Die badischen Beiträge waren in gemeinsamer vorheriger Sitzung darauf abgestimmt.

 

Die sprachlich ausgefeilten Gedichte mit den Effekten der im Alemannischen besonders wirksamen Mittel der Lautmalerei und des Sprachspiels umfassten die Themen der Spannung von technischer Machbarkeit und der Ehrfurcht vor der Natur bei Jean-Christophe Meyer, Louis Rösch gab eine Kostprobe aus seinem Repertoire um Identität und Liebe, Rémy Morgenthalers Beitrag akzentuierte die persönliche und politische Freiheit, aber auch subtile Sprachskizzen über die elsässische Landschaft. Die Sketche und kabarettistischen Einlagen von Brigitte Moog und dem Bürgermeister-Ehepaar Roland und Viviane Husser aus Gueberschwihr nahmen allzu Menschliches aufs Korn und zeigten amüsant auch die Fallstricke des Verständigungsmittels Sprache. Norbert Reppel entwarf in knappen Zügen ein Charakterbild des kürzlich verstorbenen verdienten Germanisten Raymond Matzen aus Straßburg, der u. a. auch die meisten Gedichte von Johann Peter Hebel ins Französische übertragen hatte. Besonders an dieser Stelle zeigte sich der Brückencharakter des Elsass für die deutsche und französische Kultur, die nicht mit großen politischen Parolen, sondern in der Begegnung zwischen interessierten Menschen stattfindet. Henri Scherb sorgte in seiner pfiffigen Art mit pointierten Zwischeneinlagen dafür, dass das große Anliegen der Kulturhoheit des Elsass nicht zu kurz kam. Seine Verdienste wurden vom Land Baden-Württemberg mit der Staufer-Medaille honoriert, besonders auch sein Einsatz für den grenzüberschreitenden Kulturaustausch. Er war auch lange Zeit Austauschlehrer für das Gymnasium Kenzingen.  

Elsässer und Badener haben eine Schlüsselstellung im deutsch-französischen Kulturaustausch. Letztere wurden an diesem gemütlich-spritzigen Nachmittag vertreten durch Dr. Eberhard Kimmi und Brigitte Walzer mit ihren Beiträgen mittelbadischer Autoren (Kurrus, Brucker u.a.). Zitiertes und selbst Erlebtes wurden in einem bunten Strauß von Poesie und Prosa präsentiert, das Hochalemannische durch Hans Zier mit Beiträgen von Johann Peter Hebel, dem „Klassiker“ des Alemannischen.

Was wäre aber solch ein Nachmittag ohne Publikumsbeteiligung? Mit Unterstützung  des Akkordeon-Ensembles um Petra Krumm sang man – auch nur Hochdeutsch Sprechende ließen sich mitreißen – alemannisches Liedgut aus Baden und dem Elsass. Der allgemeine Wunsch, solch eine Veranstaltung zu wiederholen, vielleicht im Elsass, ist beim Heimat- und Verkehrsverein positiv aufgenommen worden.